REISEN   ZUR  KULTUR

 

Tipps von Dr. Franz-Xaver Schlegel

 

 

Schillerhaus Rudolstadt / Thüringen, 2009 eröffnet

 

 

 

Friedrich Schiller in Thüringen      

 

                                                                                                                                                       

Mehr durch Zufall als geplant gelangte Friedrich Schiller nach Thüringen. Der Besuch von – empfohlen in dieser Reihenfolge – Meiningen mit Bauerbach, Rudolstadt, Jena und Weimar kommt einer Zeitreise zu Schiller gleich. Gedenkstätten und neue Dauerausstellungen beleuchten das Leben des Dichters nach seiner Flucht aus seiner schwäbischen Heimat in seine zweite Heimat Thüringen. Ein Stück deutsche Literatur- und Gesellschaftsgeschichte wird hier lebendig aufbereitet.

 

 

 

   Alles begann mit der Flucht aus Württemberg, existenziellen Geldnöten und einer Frauenbekanntschaft. Die ersten Kontakte des Dichters nach Thüringen sind auf Henriette von Wolzogen zurückzuführen. Die literaturinteressierte Mutter von Kommilitonen in der der Hohen Karlsschule in Stuttgart begleitete Schiller und seine ihm zugeneigte Zimmerwirtin aus Stuttgart zu einer Theatervorführung der „Räuber“ im Mai 1782 nach Mannheim. Dieser wie schon zur Uraufführung zweite nicht genehmigte Ausflug von Schiller in die ausländische Kurpfalz hatte dramatische Folgen. Der württembergische Herzog Karl Eugen persönlich belegte den schreibenden Militärarzt mit zwei Wochen Arrest und erteilte ihm nach diplomatischen Verwicklungen mit Schweizern, die sich in dem Erfolgsstück verunglimpft fühlten, Schreibverbot.

 

   Schwer gekränkt entschied sich der um seine Lebensperspektive als freier Schriftsteller gebrachte Schiller im September 1782 zur Flucht aus Württemberg. Unter dem wenig einfallsreichen Pseudonym „Dr. Schmidt“ landete er mit seinem Freund, dem die beträchtlichen finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stellenden Musiker Andreas Streicher, zunächst in Mannheim und dann im nahe gelegenen Oggersheim. Der trotzdem bald mittellose Schiller gelangte im Dezember 1782 auf Einladung von Henriette von Wolzogen in das Gutshaus der Familie nach Bauerbach bei Meiningen, wo er offiziell als „Dr. Ritter“ Asyl erhielt. Die hohen Schulden Schillers, für die die bald selbst vor der Privatinsolvenz stehende Frau von Wolzogen gebürgt hat, zahlte der verheißungsvolle Literat nie zurück. Viele andere Geldgeber des Dichters teilten dasselbe Schicksal. Im örtlichen Gashaus „Zum braunen Ross“ wirbt man heute allerdings augenzwinkernd mit der per Quittung belegbaren Zechprellerei Schillers. Und das ehemalige Gutshaus derer von Wolzogen, inzwischen Schiller-Museum, ist zur Gänze Schiller gewidmet. Dort hat er mit wenig Brennholz, viel Wein und Tabak an der „Luise Millerin“, später umbenannt in „Kabale und Liebe“, sowie am „Fiesko“ gearbeitet und den „Don Carlos“ entworfen. Das Dorf Bauerbach ist stolz auf seinen berühmten Besucher und betreibt nicht zuletzt deshalb seit 50 Jahren ein Freilichttheater, an dem in jeder Saison immerhin ein Viertel der 250 Einwohner teilnimmt. „Wilhelm Tell“ steht 2009, wie schon bei der ersten Veranstaltung zu DDR-Zeiten – damals ein politisches Wagnis – auf dem Programm.

 

   Von Bauerbach aus kann man den etwa elf Kilometer langen Weg Schillers nach Meiningen nachwandern. In der kleinen Residenzstadt freundete sich Schiller mit dem Bibliothekar Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald, dem späteren Gatten seiner ältester Schwester Christophine, an. Reinwald versorgte den Flüchtling heimlich mit Büchern aus der Hofbibliothek und kaufte für den Kettenraucher Tabak. Schillers Präsenz in Meiningen war also eine verdeckte. Das sollte sich etwa 100 Jahre später ändern: Hier wurde er zum meistgespielten Autor. Bei den gefeierten Aufführungen, die unter dem Fürsten Georg II. ab 1866 in Meiningen und von 1874 bis 1890 mittels der Eisenbahn in ganz Europa zu sehen waren, wurde der Ruf der Theaterstadt und seines Ensembles gefestigt. Das Meininger Theater hat die Bühne erneuert: mit seinen meist von Georg II entworfenen raumgreifenden Bühnendekorationen inklusive effektvoller Beleuchtungsmethoden und schließlich mit der Begründung des modernen Regietheaters. Das prächtige historistische Theater in Meiningen lädt zum Besuch einer Aufführung ein: Zu sehen und hören sind 2009 etwa „Wilhelm Tell“ von Schiller in den originalgetreuen historischen Bühnenbildern oder als Oper von Rossini, außerdem Arien und Szenen aus Opern nach Schiller sowie sein ursprünglicher „Dom Karlos“. In der ehemaligen Reithalle von Meiningen ist das Theatermuseum untergebracht, zu dessen Sammlung 275 illusionistische Theaterdekorationen zählen. Aktuell wird das illusionistisch vielschichtige Bühnenbild von Schillers „Wallensteins Lager“ präsentiert. Immerhin wurde dieses Stück 1789 in Meiningen uraufgeführt.

 

   In die Meiniger Zeit fällt auch die unglückliche Liebe zu Charlotte von Wolzogen, der Tochter seiner Gönnerin. Auch deshalb kam für Schiller im Sommer 1783 die neue berufliche Perspektive an anderem, bekanntem Ort nicht ungelegen: Der nicht abgebrochene Kontakt zum Intendanten des Mannheimer Theaters, Freiherr von Dalberg, brachte Schiller einen Einjahresvertrag als Theaterschriftsteller in Mannheim ein, die wiederholte Aufforderung zur Umarbeitung des „Fiesko“ und leider auch die Malaria – eine Katastrophe für den ohnehin ständig gesundheitlich angeschlagenen Schiller. Die in Mannheim aufkeimende Beziehung zur verheirateten Charlotte von Kalb ebbte so schnell wieder ab, wie sie begonnen hatte.

 

   1784 kehrte der finanziell klamme und verfolgte Dichter nach Thüringen zurück. Von Herzog Karl August von Sachsen-Weimar, dem Sohn der berühmten Herzogin Anna-Amalia, war er zum „Weimarischen Rat“ bestimmt worden. Schiller nahm das Angebot seines Freundes und späteren Biographen Christian Gottfried Körner an ins sächsische Loschwitz bei Dresden überzusiedeln. Hier entstand beispielsweise der 1823 von Ludwig van Beethoven vertonte Hymnus „An die Freude“. Die Bühnenfassung des „Dom Karlos, Infant von Spanien“ („Don Carlos“) wurde 1787 vollendet. Von Beziehungsdramen bleibt Schiller auch in dieser Zeit nicht verschont. Die unglückliche Liebe zu Henriette von Arnim bestärkte ihn in seinem Entschluss nach Weimar zu gehen, um dort aber sogleich eine alte Frauenbekanntschaft aufzuwärmen: zu Charlotte von Kalb, die ihn freundlicherweise unterstützte und mit der im selben Jahr sogar eine Heirat geplant war. Außerdem lernte Schiller in Weimar Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland kennen.

 

   Von Weimar aus liegt Rudolstadt sehr nahe. Die Stadt, über der das außen wie innen ansehnliche barocke Schloss Heidecksburg thront, hat für Schiller eine besondere Bedeutung. In das Jahr 1787 gelangte Schiller zum ersten Mal hierher. Es kam zum ersten schicksalhaften Besuch der Familie von Lengefeld. In dem von der Witwe von Lengefeld, ihren Töchtern Charlotte sowie der mit dem Hofrat von Beulwitz verheirateten Caroline bewohnten Haus fanden regelmäßig Gespräche zu Kunst, Literatur und wissenschaftlichen Problemen statt. Die mit Schiller verbundene Charlotte von Kalb und Goethes Muse Frau von Stein fanden sich hier ebenso ein wie Wilhelm von Humboldt, Prinz Ludwig Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt und andere Persönlichkeiten. Schiller beteiligte sich hier, zeigte aber auch vermehrtes Interesse an den gleichwohl reizenden wie klugen Töchtern des Hauses, Caroline und Charlotte. Schon im Mai 1788 war er auf Vermittlung ihrer Mutter nach Rudolstadt übersiedelt, wohnte zeitweilig im Gasthof „Güldene Gabel“ und ließ sich dann im heutigen Stadtteil Volkstadt nieder. Er konsultierte die Bibliothek der Stadt, trieb die Auseinandersetzung mit historischen Themen voran und gewann hier Eindrücke, die später für die „Glocke“ von Bedeutung waren.

 

   Im September 1788 fand im Lengenfeldschen Haus die erste von den Damen von Lengefeld und Frau von Stein eingefädelte Begegnung Schillers mit dem darauf äußerst reserviert reagierenden Goethe statt. Schiller war darüber enttäuscht. Erst viel später (in Jena und Weimar) sollten sich die beiden richtig kennen- und schätzen lernen. Immerhin setzte Goethe selbst sich dafür ein, dass im 1793 errichteten und bis heute bespielten Theater Werke von Schiller (2009: „Kabale und Liebe“) aufgeführt wurden. Lange bleib Schiller nicht in Rudolstadt. Im Lengenfeldschen Haus hat man allerdings erst im Mai 2009 die unbedingt sehenswerte Schiller-Erinnerungsstätte eröffnet.

 

Der ständig um Anerkennung und das berufliche Fortkommen bemühte Schiller schaffte es 1788 eine wenngleich unbesoldete Professur für Geschichte an der Universität Jena zu bekommen. – Die größte Universität Thüringens trägt heute stolz seinen Namen. 1789 hielt Schiller, der mit viel Neugierde von Studenten wie Dozenten erwartet worden war, seine akademische Antrittsvorlesung im größten Hörsaal der Stadt.

 

Der freie Geist in Jena hat Schiller angezogen. Und die an diesem weltoffenen Ort geballte Kraft der Denker, darunter die besonders engagierten Anhänger der Philosophie von Immanuel Kant und nachfolgend Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Friedrich Hölderlin sowie August Wilhelm und Friedrich Schlegel und die Gelehrten Alexander und Wilhelm von Humboldt. Sowohl in der Funktion als Minister wie auch um seine Kenntnisse in den Naturwissenschaften zu erweitern hielt sich zudem Goethe häufig in der Stadt auf. Schiller gelang in Jena eine allmähliche Konsolidierung seiner bürgerlichen Existenz und er fasste die Familiengründung ins Auge. Längst hatte er eine innige Beziehung zu den beiden Schwestern Charlotte von Lengefeld und der verheirateten Caroline von Beulwitz in Rudolstadt geknüpft. Zunächst war in gegenseitigem Einvernehmen eine Menage à trois vorgesehen. Diese fiel aber zumindest formal durch die Eheschließung 1790 in der heutigen Schillerkirche in Wenigenjena zugunsten der jüngeren Charlotte aus, mit der Schiller vier Kinder haben sollte. Die Heirat führte schließlich zum endgültigen Bruch mit der dadurch gedemütigten Charlotte von Kalb in Weimar. Schiller fühlte sich ausgesprochen wohl in Jena. Von seinen fünf Wohnstätten in der Stadt ist das von ihm 1797 erworbene Gartenhaus an der Leutra als einzige erhalten geblieben. Ein Besuch dieses Juwels mit einer Führung lohnt sich auf jeden Fall. Im großzügigen Garten mit dem Schreibturm Schillers steht heute noch der ovale steinerne Tisch, an dem er sich gemeinsam mit Goethe sich zu vertrauten Gesprächen getroffen hat.

 

   Von Juli 1787 bis Mai 1788 hatte sich Schiller bereits in Weimar aufgehalten, während Goethe sich auf einer Italienreise befand. Nach dem unglücklichen ersten Treffen der beiden 1788 in Rudolstadt war nach einer langen Pause und der Zeit des sich gegenseitigen Beobachtens erst 1794 in Jena der Bann zwischen ihnen gebrochen. Der engen Freundschaft der beiden stand fortan nichts im Wege. Durch Goethes Drängen beschloss Schiller 1799 sich dauerhaft in Weimar niederzulassen. Hier erhoffte er sich durch die dortige Theaterpraxis Anregungen für seine eigenen dramatischen Werke zu erhalten, erhielt Unterstützung durch Goethe und erlebte eine äußerst produktive Zeit. „Maria Stuart“ und „Wilhelm Tell“ entstanden beispielsweise in der Klassikerstadt, der „Wallenstein“ wurde abgeschlossen und das „Lied von der Glocke“.

 

   Stets den Tod vor Augen bemühte sich Schiller um die Absicherung seiner Familie. Als 1791 nach einer lebensgefährlichen Erkrankung die falsche Nachricht von seinem Ableben die Runde gemacht hatte, fand der mit ihm befreundete dänische Dichter Jens Baggesen Mäzene, die Schiller fortan großzügig unterstützten und ihn aus seiner permanenten Finanzmisere befreiten. Nur Ehre brachte Schiller die Ernennung zum französischen Bürger ein. Die 1792 ausgestellte Urkunde erreichte den „Monsieur Gille“ wegen falscher Schreibweise erst fünft Jahre später. Der unterzeichnende Revolutionsführer Danton war zu diesem Zeitpunkt bereits ermordet. In Schiller deswegen einen Republikfreund zu sehen, ginge aber zu weit. Mit der Unterstützung von einflussreichen Freunden bemühte er sich vielmehr um die Erhebung in den erblichen Adelsstand. 1802 hatte er Erfolg und vermochte dadurch seiner adeligen Frau die durch die Heirat mit ihm, einem Bürgerlichen, die verlorenen früheren Privilegien wiederzugeben. Schiller verstarb 1805 und der Hofmediziner des Weimarer Herzogs fügte dem desaströsen Obduktionsbefund den lapidaren Satz hinzu: „Bei diesen Umständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können“. Die 1827 auf dem Jakobsfriedhof exhumierten und in der Fürstengruft später neben Goethe beigesetzten Gebeine hat man erst 2009 als nicht von ihm stammend identifiziert.

 

   Für die geistige und sinnliche Begegnung mit Schiller hat die offene Frage des Verbleibs der Gebeine keine besondere Bedeutung. Schiller ist neben Goethe in Weimar auch heute noch an vielen Orten gegenwärtig. Das lässt sich am besten über eine Stadtführung und den Besuch seines 1802 erworbenen Wohnhauses an der Esplanade mit der neuen, empfehlenswerten Dauerausstellung erschließen. Thüringen hat damit die Basis für einen erlebnisreichen Besuch der Schiller-Erinnerungsstätten gelegt.

 

 

© Franz-Xaver Schlegel

 

 

 

 

WEITERE INFORMATIONEN

 

 

Tourist-Information Thüringen, Erfurt

Telefon: 0361 - 3742 - 0

www.thueringen-tourismus.de

www.schiller-lockt.de 

 

Tourist-Information Meiningen

Telefon: 03693 - 4465 - 0

www.meiningen.de

 

Tourist-Information Rudolstadt

Telefon: 03672 - 414743

www.rudolstadt.de 

  

JenaKultur, Jena Tourist-Information

Telefon: 03641 - 49805 - 0

www.jenatourismus.de 

 

Tourist-Information Weimar

Telefon 03643 - 745 - 0

www.weimar.de  

  

 

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